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Impulsgeberin

Impulsgeberin zwischen Generationsdenken und Realitätssinn – Im Gespräch mit der Oberbayerischen Bezirksbäuerin Christine Singer

Gespräch

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Christine Singer. Oberbayerische Bezirksbäuerin, 1. stv. Landesbäuerin, zwischen geschätztem Milchvieh und gesundem Grün dahoam.

Ein Treffen in Christine Singers Küche. Historischer Herd nebst Facebook Fenster. Selbstgebackenes auf dem Tisch, den Laptop zur Hand. Hier kocht ein Süpp­chen aus Bodenständigkeit und Innovationsgeist. Das sie gerne mit anderen teilt. Denn Dialog ist für sie das Zauberwort und dass man „miteinander red“ ein wichtiges Zukunftsmosaik in der Landwirtschaft. Dafür setzt sie sich ein.

„Ich glaub, dass wir in unserem Landkreis die Bäuerlichkeit noch haben. Wir machen die Tierhaltung, weils uns wichtig ist. Landwirtschaftlicher Unternehmer und Bauer ist nicht das Gleiche für mich.

Was ist Ihre Herzensbotschaft, wenn Sie mit
anderen Menschen ins Gespräch kommen?

„Dass eine Ernährung aus dem eigenen Land ein Segen ist und dass sehr viel Arbeit in der Erzeugung von Lebensmitteln steckt. Das wissen viele leider nicht mehr, weil es das ganze Jahr über im Supermarkt alles gibt. Drum ist das auch gar nicht als Vorwurf gemeint. Sondern als Aufgabe für uns Erzeuger, hier aufzuklä­ren und Missverständnisse aus dem Weg zu schaffen.“

Was für Missverständnisse zwischen Erzeu-
gern und Verbrauchern gibt es zum Beispiel?

„Zum Beispiel wird uns Landwirten oft vorgeworfen, dass wir Geflügel ins Ausland verschiffen. Auf der anderen Seite kaufen viele Menschen überwiegend nur Filets und Edelteile wie bei Geflügel die Entenbrust. Und kein ganzes Hendl. Diese Filetstück-Mentalität steht dem regionalen Kreislauf genauso im Wege, wie der Forderung, dass wir weniger Tiere halten sollen.“

Und Tiere zu halten, ist Ihnen wichtig?

„Ja, denn die Erzeugung von Lebensmitteln ist Teil meiner bäuerlichen Identität und da bin ich auch stolz drauf. Landschaftspflege ist gut und recht – aber für mich ist ein geschlossener Kreislauf aus regionaler Erzeugung und Ernährung von sehr hohem Wert. Wobei ich mit Region ganz Bayern meine. Jeder soll das machen, was er aufgrund der natürlichen Gegebenheiten am besten kann. Weiter oben im Land ist das zum Beispiel der Kartoffelanbau, bei uns un­ten ist das die Fleisch- und Milchproduktion. Weil wir die Almen für eine extensive Tierhaltung haben und darüber hinaus das Hauptfuttermittel für die Kühe, Schafe und Ziegen selber anbauen können. Für den nachhaltigen Kreislauf aus Erzeugung und Nutzung mehr Bewusstsein zu schaffen, ist ein großes Ziel.“

„Für unsere Vorfahren war das Kraut die Orange, die uns vitaminreich durch den Winter bringt.“

Das Sie auch mit den Landfrauen* verfolgen.

*Interessengemeinschaft des Bayerischen Bauernverbandes mit verschiedenen Aufgabenfeldern

Altes Wissen, neues Gwand:
www.landfrauen­machen­schule.de
www.gegessen­wird­zuhause.com
www.bayerischerbauernverband.de
/landfrauen

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@landfrauenbayern

„Uns ist es wichtig, den Nachwuchs zu erreichen. Da gibt es viele Projekte, wie zum Beispiel „Landfrauen machen Schule“, in deren Rahmen wir Schulklassen besuchen und sie auf unsere Höfe einladen. Dort erleben die Kinder regionale Lebensmittel – und zwar roh und nicht verkocht. Aber auch Erwachsenenkurse und die landwirtschaftliche Ausbildung stehen im Fokus. Wir arbeiten daran, dass die Rahmenbedingun­gen für unseren Berufsstand so sind, dass wir gerne Bauer und Bäuerinnen sein können.“

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Wo wir bei der Rolle der Frau in der Landwirtschaft wären. Wie hat sie sich verändert?

Haushaltscoaching, Partyservice, YouTube­Channel: www.qualität­vom­hof.de macht regionale Ernährung erleb­bar und lädt mit vielen weiteren Facetten zum Entdecken ein.

„Denn man muas a Kua meng, sonst ged des ned guad. Der Bezug zum Tier is a Symbiose – I fahr ned am Sonntag irgendwo hi zum Kaffeetrinken, wenn i a kranke Kua dahoam hab.“

„Die Rolle der Frau definiert sich heute selbst. Das klassische „der Älteste erbt den Hof“ und Frau heiratet ins Pflichtprogramm ein, gibt’s kaum noch. Die Möglichkeiten der Diversifizierung sind immens und da wird es noch mehr gehen. Heute ist kein Bauern­hof mehr wie der andere, weil durch den jeweiligen Partner eine neue Kompetenz hinzukommt, die sich in Standbeinen und Schwerpunkten ausdrückt. Trotz­ dem kommen die meisten Frauen als Quereinsteige­ rinnen in den Betrieb. Jedoch mit Selbstbewusstsein. Sie behalten entweder ihren Beruf oder machen et­ was Eigenes – wie z.B. Erlebnisbäuerin, Gartenbäue­ rin, Hauswirtschaftsmeisterin oder Kräuterpädagogin. Die Chance liegt darin, dass die Landwirtschaft so neue Impulse von außen bekommt. Als Hofbesitzer bleibt aber die Herausforderung, einen Partner zu finden, der das uneingeschränkt mit lebt.“

Und noch ein kleiner Blick in die Zukunft?

„Kommunikation ist in der Landwirtschaft wichtiger denn je. Die nächste Generation muss alles erklären, was sie tut. Aber ich wünsch mir nicht, dass die Jun­gen meinen Kopf aufsetzen – sondern, dass sie sa­gen: was kann ich, was braucht’s, was mach ich? Und offen miteinander umgehen, ohne vorschnell zu be­werten. Zukunft ist Veränderung – nicht das Bewahren der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“

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… sagt sie und schürt nach. Während das Handwerker-­ essen im Rohr die 12-Uhr-Tradition schafft und sie ihre stadterkundende Tochter per Google­Maps­-Live­ schaltung durch die Straßen lotst.